Gangreserve: Die Power am Handgelenk

Wer eine mechanische Uhr sein Eigen nennt, kennt das Spiel: Bleibt der Zeitmesser irgendwann stehen, muss er wieder aufgezogen und dadurch mit frischer Energie versorgt werden. Was genau der Begriff Gangreserve bedeutet, welcher technische Mechanismus dahintersteckt und welchen Nutzen Uhren mit einer eigenen Gangreserven-Anzeige haben, präsentieren wir in unserem Mechanik-Spezial zu dem Thema. Was hierbei nicht fehlen darf, ist ein passender Protagonist. In diesem Fall die Johannes Dürnstein 1893 Gangreserve der deutschen Uhrenmarke Union Glashütte. Viel Freude beim Entdecken! 

Damit sich die Räder, Federn und Zeiger einer mechanischen Uhr bewegen können, brauchen sie Energie. Diese wird durch das Spannen der sogenannten Zugfeder im Inneren des Uhrwerkes erreicht. Ohne die Zugfeder läuft in der Uhr also gar nichts. Bei der Komponente handelt es sich um ein spiralförmig aufgerolltes Band, das heute meist aus einer high-tech Legierung gefertigt wird. Die Zugfeder sitzt in ihrem Federhaus und versorgt den Zeitmesser von dort mit Energie. Ihr selbst wird die Power bei einem klassischen Handaufzug durch das Aufziehen der Krone oder bei einem Automatikwerk über den kreisenden Rotor zugeführt. Durch diese Energiezufuhr wird die Feder gespannt und zieht sich eng zusammen. Durch das Abgeben der Kraft an das Räderwerk der Uhr entspannt sich die Zugfeder wieder, und zwar bis zum Stillstand des Zeitmessers. Die Dauer zwischen maximaler Spannung und völlig Entspannung wird als Gangreserve bezeichnet. Sie steht für die verfügbare Energie der Uhr und damit der Aufzugsfeder. 

Nachdem wir wissen, was die Gangreserve überhaupt ist und wie sie technisch umgesetzt wird, kümmern wir uns um die Faktoren, die ihre Dauer beeinflussen:

1. die Größe
2. die Anzahl
3. der Verbrauch

In ein üppig bemessenes Federhaus passt auch eine große Aufzugsfeder, die wiederum länger Energie abgeben kann als eine kleine. Deshalb ist die Gangreserve bei besonders zierlichen, mechanischen Uhren oft niedrig, da schlicht kein größeres Federhaus in das Werk passt. 

Richtig gelesen, es gibt einige Zeitmesser, die nicht nur über ein, sondern über zwei oder gar drei Federhäuser verfügen. Da diese nacheinander ihre Kraft abgeben, spricht man von einer Schaltung „in Reihe“. Mehrere Federhäuser sorgen meist für eine lange Energieversorgung und damit für eine hohe Gangreserve, die 100 Stunden nicht selten übersteigt. 

Ein wichtiger Punkt für die Bewertung der Gangreserve sind die Komplikationen, also die Zusatzfunktionen einer Uhr. Alles, was der Zeitmesser mechanisch leistet, verbraucht Energie. Von der Zeitanzeige über das Datum, bis hin zum Kalender oder zum Chronographen. Umso mehr Zeiger und Anzeigen Ihnen auf dem Ziffernblatt begegnen, desto mehr Kraft muss im Werk der Uhr erzeugt werden, um diese am Laufen zu halten. Komplizierte Uhren, die dennoch über eine große Gangreserve von 80 Stunden und mehr verfügen, können sich deshalb meist auf mehrere Federhäuser verlassen.